Heute fand das Drama um den Tiroler Landesrat Josef Geisler in Sachen „Luder-Gate“, wie manche Medien es so schön neudeutsch bezeichnen, seine Fortsetzung. Nachdem der beleidigten WWF-Gewässerschutzexpertin eine schriftliche Entschuldigung zu wenig war, gab es nun heute eine persönliche Entschuldigung.


Was war passiert: Der WWF übergab eine Petition gegen das Kraftwerk Tumpen-Habichen an die beiden Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP) und Ingrid Felipe (Grüne). Ein sichtlich genervter Geisler wollte in dem kurzen Videoausschnitt den Redefluss der Aktivistin unterbrechen, die ließ das aber nicht zu. Infolge dessen fiel so nebenbei der Sager vom „widerwärtigen Luder“. In meinen Augen ein verärgerter Gedanke, mehr zu sich selber, versehentlich hörbar ausgesprochen.


Das geht natürlich nicht. Geisler hat seinen Fehler natürlich eingesehen und sich für seine Beleidigung entschuldigt. Interessieren würde mich, warum Geisler so genervt war. War zuvor bei ihm was vorgefallen, dauerte der Monolog der Aktivistin schon länger an? Was die emotionale Entgleisung nicht entschuldigt, einem Polit-Profi sollte sowas nicht passieren. Aber Politiker sind eben auch nur Menschen.


Der WWF und seine Aktivistin nützen die Lage natürlich aus und blasen die Sache auf, um die Medienpräsenz für sich zu nutzen und um möglichst viel für sich rauszuholen. Wirklich lächerlich finde ich die Reaktionen der anderen Parteien, die natürlich auch Gewinn für sich aus dieser Sache schlagen wollen. Das ist so offensichtlich, dass es schon wieder weh tut. So meint SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner, dass Geisler rücktrittsreif sei, Entschuldigung hin oder her. „Diese Beschimpfung offenbart Frauenfeindlichkeit und Hass auf politische Aktivistinnen“, diagnostizierte Frau Brunner.


Auch zwei hochrangige Tiroler SPÖ-Frauen (Yildirim und Fleischanderl) zeigten sich laut Tiroler Tageszeitung überzeugt: „Solche Worte hätte Geisler wohl für einen Mann nicht gewählt.“ Dem kann ich natürlich nur zustimmen, einen Mann hätte er vermutlich nicht „Luder“ genannt, das würde nämlich keinen Sinn machen. Und natürlich empören sich auch FPÖ und NEOS und fordern den Rücktritt. Nur die Grünen mussten sich etwas zurückhalten, da ja ihre Felipe danebenstand und nicht eingriff (weil sie die gemurmelte Aussage nicht gehört zu haben schien). Ein Theater der Scheinheiligkeiten.


Wenn Geisler schon öfter mit frauenfeindlichen Aussagen aufgefallen wäre, würden die ihm jetzt von allen Seiten unter die Nase gerieben werden. Ist aber nicht so. Ich bin kein Fan von Herrn Geisler, habe ihn in Wahrheit davor gar nie richtig wahrgenommen. Aber mich nervt es langsam, dass nach jeder unglücklichen Aussage alle sofort reflexartig Sexismus, Rassismus und natürlich auch Rücktritt schreien. Wenn jeder Politiker, der irgendwann mal ein ähnlich „schweres“ Vergehen begangen hat, heute zurücktreten würde, dann würde es wohl schlagartig sehr sehr leer werden in den politischen Ämtern. Wie gesagt: Ein Theater der Scheinheiligkeiten.


Die Sache war nicht in Ordnung, keine Frage. Aber es ist deswegen niemand zu Schaden gekommen, niemand wurde verletzt oder gar getötet. Es war einfach eine dumme, unbeherrschte Aussage, er hat dafür auf die Fresse bekommen, er hat sich entschuldigt und damit sollte es gut sein.


Ich finde, wir haben derzeit ganz andere Probleme in diesem Land. Viele Existenzen sind auf Grund der Corona-Krise bedroht, da muss man nicht noch jede dumme Aussage unendlich aufbauschen. In meiner naiven Sichtweise sollte Politik zusammenarbeiten und gute Lösungen für uns finden. In der Praxis gibt es zumeist nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, weil jeder nur auf sich und seine Gruppe schaut, dem anderen nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnt und ihm ans Bein pinkelt, sobald sich eine Gelegenheit bietet, egal wie lächerlich sie ist. Und das nervt! Und macht mich traurig. Und manchmal auch wütend. Und hinterlässt mich kopfschüttelnd.


Apropos: Bei der ganzen Sache (Petition) ging es darum, dass Wasserkraftwerk Tumpen zu verhindern. Auf der anderen Seite wiederum wollen Aktivisten (z.B. die von Fridays for Future), dass wir aus der Energiegewinnung von fossilen Brennstoffen und Atomkraft aussteigen. Ja was denn nun? Von irgendwoher werden wir unseren Strom halt doch bekommen müssen. Z.B. für die vielen neuen, ach so besonders umweltfreundlichen Elektro-Autos.

 

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